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Weniger ist mehr

Das Risiko für Fehl- oder Frühgeburten, Wachstumsverzögerungen und Behinderungen ist bei Mehrlingsschwangerschaften bzw. -geburten um einiges höher als bei Einlingen. Damit einher geht das unermessliche Leid von Kindern und Eltern – seelisch und/oder körperlich – sowie der belastende finanzielle Mehraufwand. Doch warum häufen sich Mehrlingsschwangerschaften in den letzten Jahren? Ist tatsächlich die Reproduktionsmedizin daran schuld?

Fragwürdige Ethik …

Welchen ethischen Grundsätzen folgt ein Mediziner, der einer jungen Frau derart viele Embryonen einpflanzt wie jener in den USA vor ein paar Jahren? 2009 untermauerte die Schlagzeile „Achtlinge stellen Rekord auf“ die allgemeine Meinung, die Hauptschuld für die Zunahme von Mehrlingsschwangerschaften/-geburten läge bei der Reproduktionsmedizin. Dabei entspringen bei weitem nicht alle Mehrlinge einer Kinderwunschbehandlung durch IVF/ICSI! Analysen zufolge sind für rund 50 Prozent der Mehrlingsschwangerschaften hormonelle Stimulationsbehandlungen oder homologene bzw. heterologene Inseminationen verantwortlich. So ist beispielsweise die Meldung „26-jährige Frau bringt Fünflinge zur Welt“ aus dem Jahr 2011 auf eine Hormonbehandlung zurückzuführen.

… und ihre Folgen

Für Laien ist es oft schwer verständlich, dass Mehrlingsschwangerschaften ein deutlich höheres Risiko aufweisen – auch wenn es „nur“ Zwillinge sind: Fehlgeburten (vor der 24. Schwangerschaftswoche) und Frühgeburten (vor der 32. Schwangerschaftswoche) kommen im Vergleich zu Einlingsschwangerschaften bei Zwillingen etwa doppelt so häufig vor, Wachstumsverzögerungen sogar viermal so oft. Durch die vielfach eintretende extreme Frühgeburt weisen in manchen Fällen alle Kinder schwere Behinderungen auf.

Empfehlungen

Um behandelnden Ärzten Anhaltspunkte für eine gewissenhafte Betreuung ihrer Patientinnen zu liefern, haben die österreichischen reproduktionsmedizinischen Fachgesellschaften Empfehlungen (1, 2, 3) bezüglich der maximalen Anzahl der zu transferierenden Embryonen herausgegeben. Daraus geht hervor, dass jede hormonelle Stimulation für den Geschlechtsverkehr zum optimalen Zeitpunkt (im Fachjargon VZO – Verkehr zum Optimum – genannt)  oder für eine Insemination das Ziel hat, maximal zwei Eizellen zu produzieren. Um dies sicherzustellen, sind Ultraschall-Kontrollen unabdingbar.

Nur wenn maximal zwei Eibläschen (Follikel) vorhanden sind, darf ein VZO bzw. eine Insemination erfolgen. Haben sich drei oder mehr Eibläschen gebildet, ist unbedingt ein Verbot für spontanen, ungeschützten Geschlechtsverkehr auszusprechen. Ebenso darf in solchen Fällen auch keine Insemination stattfinden. Ansonsten besteht ein nicht mehr kalkulierbares Mehrlings-Risiko.

Leider sind nicht alle Patienten immer einsichtig und leisten einer ärztlichen Empfehlung (oder einem Verbot) uneingeschränkt Folge – wohl weil ihnen die möglichen Folgen absolut nicht bewusst sind. Deshalb ist jedem Arzt anzuraten, sich ein solches Verbot vom Paar auch schriftlich bestätigen zu lassen.

Ärztliche Verantwortung

Auch wenn es nicht immer einfach ist, sehe ich es als unsere ärztliche Pflicht, Patienten mit allen möglichen Folgen einer Mehrlingsschwangerschaft zu konfrontieren und sie von der Sinnhaftigkeit des Strebens nach einer Einlingsschwangerschaft zu überzeugen!

Der sogenannte Single Embryo Transfer (SET) ist übrigens ein Trend, der sich auch in der IVF/ICSI-Behandlung durchgesetzt hat. Ebenso wird Frauen im Alter von über 37 Jahren zwischenzeitlich zum Transfer von nur einem Embryo geraten – vor allem in den ersten Behandlungszyklen. Am besten eignet sich dafür das Anlegen einer Blastozystenkultur mit anschließender Blastozystenselektion, bei der nur ein Embryo übertragen wird. Die überzähligen Blastozysten werden mittels Kryokonservierung haltbar gemacht. Nur so lässt sich auch bei IVF/ICSI-Behandlungen die Rate an Mehrlingsgeburten reduzieren.

Vision und Mission

Die Schwangerschaftsrate darf nicht der einzige Gradmesser für einen Reproduktionserfolg sein! Schlussendlich geht es doch darum, Wunsch-Eltern so schnell wie möglich zu ihrem Wunschkind zu verhelfen – im Idealfall mit der ersten Behandlung zu einem Einling. Oberste Prämisse sollte dabei die Wahrung der Gesundheit von Mutter und Kind sein.

Den Ruf der Reproduktionsmedizin(er) zu verteidigen ist die eine Seite. Viel wichtiger ist aber, den Menschen die nötige Sensibilität zu vermitteln, was für sie und ihre Kinder das Beste ist.


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